Grenzenlos widerstandsfähig
Widerstandskraft ermöglicht uns, mit psychischen Belastungen und Rückschlägen umzugehen und nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Diese Folge ermutigt dazu, eigene Grenzen zu überdenken und Herausforderungen aktiv zu meistern. Und sie ist ein Beispiel dafür, wie man durch Widerstandskraft scheinbar Unmögliches erreichen kann.
Erfahren Sie in dieser Folge:
- Wie Widerstandskraft uns in schwierigen Zeiten unterstützt und stärkt.
- Praktische Ansätze, um Ihre eigene Widerstandskraft zu entwickeln und zu stärken.
Sie haben Fragen und Anregungen?
Dann schreiben Sie mir gerne eine Nachricht an: thomas.kapp@allscout.de
Oder wenn Sie lieber lesen möchten, geht es hier weiter mit dem Text zum Podcast.
Herzlich willkommen allseits. Ich begrüße Sie zu unserer neuen Folge von Startrampe Erfolg – Wo ist mein Zünder? Heute sprechen wir über Widerstandskraft.
Wie immer beginnen wir mit einer Geschichte:
Bei einem Urlaubsaufenthalt Bad Pyrmont begegnete ich vor vielen Jahren einem Mann, der mir folgende Geschichte erzählte: Er sei nach dem II. Weltkrieg russischer Kriegsgefangener in Sibirien gewesen. Es sei ihm gelungen, aus dem Gefangenenlager in Sibirien auszubrechen und zu Fuß nach Bad Pyrmont zu laufen! Ohne gutes Schuhwerk und in der Eiseskälte. Er hatte keine logistische Unterstützung und hat sich von Bauernhof zu Bauernhof durchgeschlagen. Was er geschafft hat, klang für mich wie ein kleines Wunder. Sie erraten leicht, was sein Geheimnis war: Widerstandskraft.
Was bedeutet das nun für unsere Startrampe Erfolg?
Widerstandskraft kommt ins Spiel, wenn es schwierig wird
Wir haben uns schon mit Mentaler Stärke, Commitment, Disziplin befasst. Nun kommt Widerstandskraft hinzu. Dabei gilt folgende Stufenfolge:
- Wer mental stark ist, hat noch kein Commitment,
- Wer Commitment hat, ist noch nicht diszipliniert,
- Wer diszipliniert ist, hat noch keine Widerstandskraft,
- Wer Widerstandskraft hat − ist nicht mehr aufzuhalten!
Bei der Widerstandskraft geht es im Kern geht darum, mit (psychischen) Belastungen oder Rückschlägen so umzugehen, dass sie uns nicht aus der Bahn werfen. Den Begriff „Widerstandskraft“ finde ich sehr treffend beschrieben mit dem Spruch “If the going gets tough, the tough gets going“. Dabei zeichnet sich Widerstandskraft m.E. durch die folgenden drei Qualitäten aus: Aushalten, Durchhalten und Weitermachen.
Die drei Facetten der Widerstandskraft
Aushalten
Aushalten bedeutet das Ertragen der Intensität bestimmter psychischer oder physischer Belastungen (bis hin zu starken Schmerzen). Wer austeilt, muss auch einstecken können, sagt der Volksmund. Viele Menschen haben vom Erfolg ein völlig falsches Bild: Sie sehen nur die weltberühmte Ballerina, den Pop-Star, die Top-Managerin und den Fußball-König. Was sie nicht sehen, ist der lange Weg dahin, das tausend-fache Üben, das Quälen, die Niederlagen und Rückschläge. Niemand sieht den Schmerz, der überwunden werden muss, und die Opfer, die erbracht werden müssen, um zum Ziel zu kommen. Oder wie es Theodore Roosevelt formulierte: „Niemals in der Geschichte hat ein Mensch, der ein leichtes Leben führte, einen Namen hinterlassen, dessen es Wert wäre, sich zu erinnern.“
Schmerz und Opfer sind heute Begriffe, die uns eher fremd vorkommen. Unser ganzes Leben ist geprägt vom Streben nach Bequemlichkeit und Komfort: Heute muss alles sofort, schnell und ohne Anstrengung gehen. Wir können nur noch wenig aushalten, es fehlt uns häufig auch die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten (Ambiguitätstoleranz). Widerstandskraft ist dagegen, den Schmerz auszuhalten, wenn die Seele oder der Körper nach Bequemlichkeit ruft.
Beispiel:
Hubert Schwarz, ein deutscher Extremsportler, ist bei seinen Radtouren vielfach mit schmerzhaftem Abszess am Hinterteil gefahren oder in Alaska bei – 30 °C oder manchmal, ohne wirklich geschlafen zu haben.
An diesen Grenzen sehen wir, wenn Leidenschaft und Widerstandskraft zusammenfallen: „Leidenschaft ist eine Eigenschaft, die Leiden schafft.“ Hiermit ist nicht gemeint, dass manche Menschen zu viel Whisky trinken, sondern, dass die wahre Leidenschaft ohne Leiden im Sinne von Anstrengungen, Opfern und Schmerzen nicht wirklich gelebt werden kann.
Caveat 1:
Bitte verwechseln Sie das nicht mit Masochismus. Der Masochist fügt sich Schmerzen zu, weil er auf andere Weise nicht in der Lage ist, (sich) zu fühlen. Deshalb genießt er den Schmerz. Bei den hier beschriebenen Schmerzen, Anstrengungen und Opfer auf dem Weg zum Ziel, geht es nicht darum, diese zu „genießen“. Es geht darum, Schmerzen, Anstrengungen und Opfer in einen sinnvollen Kontext einzuordnen, sie als „Einzahlung“ in das persönliche „Erfolgskonto“ zu betrachten. Wir ändern unsere Perspektive und machen Schmerzen, Anstrengungen und Opfer damit „erträglich“. Spitzensportler können durch gezieltes Mentaltraining die Toleranzgrenze für Schmerz nach oben verschieben und dadurch tatsächlich mehr Schmerz aushalten als andere Menschen.
Caveat 2:
Ohne Fleiß kein Preis – das Motto „streng dich an“ als Treiber könnte nahelegen, dass nur dann etwas wert ist, wenn es schwer ist. Natürlich können manche Erfolge auch recht leicht erzielt werden. Also beides ist richtig: Anstrengung nur um der Anstrengung willen bringt nichts. Wer sich selbst permanent suggeriert, wie unglaublich anstrengend sein Leben ist, der wird es auch stets so empfinden. Wer jede Anstrengung scheut und alles auf die „leichte Schulter“ nimmt, wird ebenfalls den Weg zum Erfolg oft verpassen. Manchmal geht es leicht, manchmal geht es schwer – aber, dass es immer leicht geht, ist eine Illusion!
Durchhalten
Während das Aushalten das Ertragen der Intensität bestimmter Belastungen betrifft, zielt das Durchhalten mehr auf die Dauer des Ertragens von Belastungen ab und darauf, nicht aufzugeben. Viele Menschen geben jedoch zu früh auf. Aus der Sportpsychologie wissen wir, dass Menschen häufig mental schon aufgeben, lange bevor sie ihre absoluten körperlichen Grenzen erreicht haben.
„Nicht aufgeben und durchhalten“ war auch das Motto von Winston Churchill. Ohne die (mentale) Widerstandskraft Churchills wäre der II. Weltkrieg (und die Zeit danach) mit großer Wahrscheinlichkeit anders verlaufen. Geben Sie also nicht auf! Bedenken Sie also immer: Krisen kommen – und gehen! Auch das Negative währt nicht ewig. Und wenn die negative Formulierung „Nicht aufgeben“ für Sie zu wenig Kraft hat, formulieren Sie sie doch einfach um in die positive Formel: „Fange nie an aufzuhören“.
Weitermachen
Während Aushalten und Durchhalten die Intensität und Dauer von Belastungen betrifft, geht es beim Weitermachen darum, sich nicht wegdrücken zu lassen, Hindernisse zu überwinden und „hinzufallen und wieder aufzustehen“. Weitermachen, wenn andere aufgeben. Während Aushalten und Durchhalten eher eine passive Qualität haben, geht es beim Weitermachen bereits wieder mehr um das aktive Handeln. Weitermachen ist das Verlassen der sog. erlernten Hilflosigkeit. Weitermachen ist die Steigerung von Commitment – Commitment sagt „ich will“, Weitermachen sagt: „ich will nochmal“. Oder wie Winston Churchill formulierte: „Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ Ganz zutreffend ist Churchills Berechnung m.E. nicht: Es reicht m.E. genauso oft aufzustehen wie hinzufallen – es sei denn, man startet im Liegen! Aber wir wissen, was er meinte.
Grenzen der Widerstandskraft
Nach dem hohen Lied auf die Widerstandskraft, muss ich noch etwas Wasser in den Wein gießen. Denn es gibt im Leben auch Situationen, in denen wir versuchen, ein “totes Pferd“ zu reiten. Eine uralte Weisheit der Dakota-Indianer besagt: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Dieser Spruch soll sagen, dass manchmal bestimmte Dinge oder Situationen „zu Tode geritten“ – und damit nicht mehr zu retten sind. Wir müssen also erkennen, wenn wir mit dem „Kopf gegen die Wand“ laufen oder gegen „Windmühlen kämpfen“. Wenn einem Ziel oder einem Projekt der Boden und jede Realisierungschance entzogen ist, hat Widerstandskraft keinen Sinn. Hier würde Weitermachen einen von vornherein verlorenen und sinnlosen Kampf bedeuten, dieser Kampf wäre ein „Kampf gegen Windmühlen“ und reine Energie- und Ressourcenverschwendung.
Für heute sind wir damit fast am Ende. Wie immer gibt es für Sie noch zwei Impulse, liebe Leserinnen und Leser, ein Zitat und eine Frage zum Nachdenken.
Das Zitat stammt heute von Alfred Selacher:
„Im Paradies gibt es kein Widerstand und daher auch kein Wachstum“
Und die persönliche Frage für Sie lautet:
– Welche Facette Ihrer Widerstandskraft wollen Sie noch stärken?
Das war es für heute.
In der nächsten Folge am Mittwoch, den 4. Juni, sprechen wir über Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.
Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen, Ihr Thomas Kapp
Dr. Thomas Kapp
Chopinstraße 23
70195 Stuttgart