Du betrachtest gerade Folge 15 – Macht der Gefühle
Gefühle haben die Menschheit schon lange beschäftigt.
Auch wenn Gefühle immer eine tragende Rolle in unserem Leben spielten, wurden sie doch in langen Epochen der Menschheitsgeschichte eher geleugnet, geringgeschätzt oder verdrängt. Aber Gefühle spielen eine zentrale Rolle und deswegen widme ich ihnen diese und sogar noch die nächste Folge.
 
Erfahren Sie in dieser Folge:
Welche Rolle spielen Gefühle in unserem Leben?
Wie hängen Gedanken und Gefühle zusammen?
Warum wir meist ganz unbewusst gesteuert werden.
 
Sie haben Fragen und Anregungen?
Dann schreiben Sie mir gerne eine Nachricht an: thomas.kapp@allscout.de
 
Sind wir schon verbunden?

Oder wenn Sie lieber lesen möchten, geht es hier weiter mit dem Text zum Podcast.

Wie immer beginnen wir mit einer Geschichte:

Jonathan Haidt hat für das Verhältnis unserer Vernunft zu unseren Gefühlen das Bild von einem Reiter auf einem Elefanten entworfen: Der Reiter steht für unser unsere Vernunft/Logik und der Elefant unsere Gefühle/unsere Intuition. Unsere Vernunft, sagt Haidt, ist nur der kleine, Reiter auf dem großen Elefanten unserer Bauchgefühle, der eigentlich dem Elefanten hilflos ausgeliefert ist. Unser Reiter befindet sich also häufig in der Illusion, die Richtung anzugeben, während in Wirklichkeit einzig und allein der Elefant den Weg bestimme.

Was bedeutet das nun für unsere Startrampe Erfolg?

Gefühle haben die Menschheit schon lange beschäftigt. Auch wenn Gefühle immer eine tragende Rolle in unserem Leben spielten, wurden sie doch in langen Epochen der Menschheitsgeschichte eher geleugnet, geringgeschätzt oder verdrängt. Moralische Regeln, Verhaltensnormen oder Gesetze unterdrückten häufig ein bewusstes Er- und Ausleben von Gefühlen. Auch die ansonsten sehr gepriesene Aufklärung hat eher eine Dominanz des Verstandes über den Körper und die Gefühle statuiert. Heute scheinen Gefühle in einer sehr individuell geprägten Welt eine große Rolle zu spielen, manche stellen sie sogar gerne fast exhibitionistisch zur Schau. Ein richtig ausgewogenes Verhältnis zwischen Verstand und Gefühl herzustellen, ist nach wie vor eine Herausforderung. Sicher ist heute nur: Wir brauchen Verstand und Gefühle.

Gefühle sind nach wie vor ein Mysterium. Zwar ist uns die Funktion von Schmerz klar: Er weist uns auf eine Funktionsstörung in unserem Körper hin, z.B. bei einer Verletzung oder drohenden Gefahr – Stichwort: „Heiße Herdplatte“. Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, welcher Teil Ihres Körpers Freude und Schmerz empfindet? Natürlich können wir biochemisch Körper- und Gefühlsreaktionen nachweisen, z.B. den Anstieg von Dopamin bei Wohlbefinden und Adrenalin bei Stress. Aber wer fühlt dann das Glück oder den Stress?

Die Neurowissenschaften erklären uns, dass es bestimmte neuronale Schmerzrezeptoren gibt. Nun gut: Aber warum spürt der Rezeptor etwas, er ist doch auch nur eine Zelle, also ein bio-chemisches Aggregat, also weitgehend Protein und Wasser. Unser Auto spürt bei einem Unfall doch auch nichts. Auch ein toter Körper spürt nichts – jedenfalls nach allem was wir vermuten. Wenn wir beobachten, dass z.B. auch Tiere Schmerz verspüren können, ist es wohl nicht das selbstreflexive menschliche Bewusstsein, welches Schmerz verspürt, denn ein solches Bewusstsein sprechen wir Tieren ab. Dann bleibt nur noch die Erklärung, dass es eine Seele geben muss, die auch den Schmerz verspürt. Damit erklärt sich auch, warum Tiere Schmerz spüren können, weil sie wohl auch eine Seele haben. Und damit kommen wir zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass nur die Kombination von Seele und Körper ein Gefühl entstehen lässt, weil weder die körperlose Seele noch der seelenlose (und damit tote) Körper Schmerz spüren kann. Der Körper erzeugt den Schmerz, aber die Seele spürt ihn. Irgendwo muss es also eine Verbindung zwischen unserer Seele und unserem Körper geben. Aber wo? Der bekannte deutsche Arzt Rudolf Virchow hilft uns hier leider auch nicht. Ihm wird (wohl fälschlicherweise) der Satz zugeschrieben wird: „Ich habe so viele Leichen seziert und nie eine Seele gefunden.“ Diese Frage ist eine der großen ungelösten Fragen der Menschheit, die wir hier leider nicht klären können. Dafür widmen wir uns einer anderen Frage:

Wie hängen Gedanken und Gefühle nun miteinander zusammen? Und wer steuert unser Verhalten?

Viele nehmen an, dass unsere Gedanken unsere Gefühle, und unsere Gefühle unser Verhalten beeinflussen. Andere gehen davon aus, dass eher unsere Gefühle unsere Gedanken beeinflussen. Alles in allem ein komplexes Geflecht an wechselseitigen Beziehungen: Wer steuert nun wen? Wir lassen das hier offen und unterstellen einfach, dass sich Gefühle und Gedanken gegenseitig beeinflussen können: Ich fühle mich mulmig, wenn ich an die Abgabe meiner nächsten Steuererklärung denke. Und ich denke an eine Arthrose, wenn ich in meinem Knie Schmerzen fühle.

Warum befassen wir uns mit Gefühlen im Zusammenhang mit dem Erfolg? Gefühle sind quasi „menschliche Algorithmen“ zur Orientierung, Setzung von Zielen, Steuerung unseres Verhaltens und zur Unterstützung bei Entscheidungssituationen. Ohne Orientierung fällt es uns schwer, Ziele zu finden. Und ohne Ziele haben wir keine Erfolge. Wenn wir dann Erfolg haben, brauchen wir Gefühle, um uns über diesen Erfolg zu freuen (und mit diesem Gefühl der Freude zu neuen Ufern aufzubrechen).

Gefühle können uns im Leben also enorm helfen − wenn wir richtig mit ihnen umgehen. Das möchte ich mit Ihnen zusammen weiter erkunden, und zwar in vier Schritten:

Schritt 1: Gefühle sind einfach da!

Gefühle sind einfach da, sie kommen und sie gehen. Sie verändern sich laufend und wir können sie nicht konservieren − niemals! Das ist bei den Glücksgefühlen vielleicht schade, bei den von uns jedoch nicht so positiv wahrgenommen Gefühlen wie Trauer, Zorn, Wut, Eifersucht aber ganz gut. Gefühle haben eine kurze Halbwertzeit und bestehen nicht auf Dauer, sondern sind einem ständigen Wechsel unterworfen:

Die kleine Laura weint herzzerreißend, weil ihr Stofftier verschwunden ist − eine Viertelstunde später spielt sie fröhlich im Sandkasten mit ihrer Freundin. Diese Fähigkeit, Gefühle fließen zu lassen, verlernen wir leider, je älter wir werden. Wir Erwachsene neigen dazu, unsere Gefühle quasi in Konservendosen einzufrieren und bei Bedarf immer wieder aufzutauen.

Was Gefühle gut oder schlecht erscheinen lässt, sind unsere verstandesmäßigen Bewertungen, insbesondere unser Gewissen, unsere Moral, unsere Glaubenssätze, unsere Regeln, unsere Gesetze. Aufgrund dieser Bewertungen bringen uns unsere Gefühle oft in Verlegenheit, weil wir sie als „schlecht“, als „unmoralisch“, als „eigennützig‘“, als „geringwertig“ etc. betrachten. Und wegen dieser „schlechten“ Bewertung beginnen wir dann, uns auch wirklich „schlecht“ zu fühlen.

Und so entsteht ein blödes Missverständnis. Eine klassische Alltagsszene zeigt dies sehr schön. Wir fragen einen Freund: „Wie fühlst du dich?“ – und er antwortet: „Gut.“ Und schon ist die Falle zugeschnappt: Ein Gefühl ist weder schlecht noch gut, sondern es lässt sich beschreiben mit Wörtern wie z.B. froh, munter, glücklich, hoffnungsfroh etc. − oder eben deprimiert, traurig, allein.

Die Antwort „Gut“ wird der Frage nach unseren Gefühlen daher nicht gerecht. Unser Alltagsleben hat sprachlich die Fragen „Wie geht es dir?“ (hier könnte man in der Tat „Gut“ antworten) und „Wie fühlst du dich?“ völlig nivelliert. Die Folge davon ist, dass wir den Kontakt zu unseren Gefühlen zunehmend verlieren. Die sprachliche Nivellierung führt zur emotionalen Nivellierung!

Wenn wir nur noch von „guten“ (noch schlimmer: „großen“) Gefühlen sprechen, schneiden wir unseren Zugang zum eigentlichen Erleben unserer Gefühle ab. Interessanterweise können wir die Antwort „es geht mir gut“ meistens mit rationalen Erklärungen begründen, während wir ein Gefühl („ich bin froh, hoffnungsvoll, neugierig“ etc.) oft nicht begründen können – und auch nicht begründen brauchen. Gefühle sind nicht begründungspflichtig und meist auch nicht begründungsfähig – Gefühle sind einfach da!

Schritt 2: Warum haben wir Gefühle?

Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir uns evolutionsbiologisch etwas mit der menschlichen Gehirnstruktur befassen. Während wir unser Gehirn im Alltag vielfach mit der menschlichen Verstandesleistung und der Intelligenz gleichsetzen, müssen wir erkennen, dass wir nicht ein, sondern vier Gehirne im Kopf haben. Zunächst das evolutionsgeschichtlich sehr alte Reptilien-Gehirn, das Säuger-Gehirn, Kleinhirn und das Großhirn.

Das Reptilien-Gehirn ist die „Polizei im Hirn“. Es kümmert sich um unsere archaischen Reflexe, die uns die bewusste und wahrnehmbare Entscheidung in Situationen abnehmen, wo es z.B. um Leben und Tod geht (Abwehr, Angriff oder Totstellen).

Das Säuger-Gehirn ist unsere innere Stimme und unsere Intuition, quasi unser „Herz im Hirn“ und damit für Gefühle zuständig. Das Säuger-Gehirn ist immer dann gefragt, wenn es um Orientierung und (schnelle) Entscheidungen in unübersichtlichen, komplexen, vom Verstand nicht „messbaren“ Situationen geht.

Das Kleinhirn kümmert sich um unsere Bewegungsabläufe und interessiert hier nicht weiter.

Das Großhirn ist für Verstand und Intelligenz zuständig. Das Großhirn ist verantwortlich für Rationalität, Logik und Vernunft. Es versagt jedoch in komplexen, „nicht-algorithmisierbaren“ Situationen. Dann sind unser Säugerhirn und unsere Gefühle gefragt.  

Denken Sie an Ihren letzten Urlaub. Sie schlendern abends die Dorfstraße entlang und suchen ein Lokal für das Abendessen mit Freunden. Wie werden Sie das Lokal aussuchen? Wird Ihr Verstand (virtuell) eine Excel-Liste aller verfügbaren Lokale mit allen Vor- und Nachteilen erstellen und daraus gemäß einem vorgegebenen Algorithmus das beste Lokal aussuchen? Sehr wahrscheinlich nicht. Sie werden das Lokal wählen, wo Sie sich wohlfühlen, wo etwas los ist und gelacht wird, wo nette Musik spielt, das Essen appetitanregend duftet oder einfach das Ambiente einladend ist. Ihr Verstand kann Ihnen nicht sagen, ob die Musik nett ist, Essen appetitanregend duftet oder das Ambiente einladend ist. Never!

Inzwischen ist weitgehend anerkannt: Das Gefühl entscheidet und der Verstand setzt (sozialverträglich) um. Das ist ganz wichtig: Das Gefühl entscheidet und der Verstand setzt um. Das gilt bei der Berufs- und Partnerwahl ebenso wie beim Autokauf! Deshalb ist es auch unmöglich, verliebten Menschen mit Argumenten der Vernunft zu kommen. Vor der Umsetzung einer vom Gefühl „getroffenen“ Entscheidung kann der Verstand noch wertvolle Informationen beisteuern, sozialverträgliche Alternativen finden oder im Einzelfall auch die „Notbremse“ ziehen, tut dies aber eher selten. Der Verstand kann also Informationen sammeln und notfalls  bremsen, aber nicht entscheiden. Diese Arbeitsteilung müssen wir uns bewusst machen und sie nutzbringend für unser Leben einsetzen.

Für heute sind wir damit fast am Ende.  Wie immer gibt es für Sie noch zwei Impulse, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ein Zitat und eine Frage zum Nachdenken.

Das Zitat stammt von Antoine de Saint-Exupéry, dem geistigen Vater des Kleinen Prinzen:

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Und die persönliche Frage für Sie lautet:

Ist Ihnen bewusst, in welchem Maße Ihre Gefühle Ihre Entscheidungen beeinflussen?

Gehen Sie in sich und finden Sie eine persönliche Antwort!

Viel Spaß dabei!

In der nächsten Folge sprechen wir über die beiden weiteren Schritte 3 und 4: Wo helfen uns Gefühle? Wie gehen wir mit Gefühlen um?

Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen, Ihr Thomas Kapp

Dr. Thomas Kapp

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