Du betrachtest gerade Folge 16 – Macht der Gefühle II

Wie gehen wir mit Gefühlen um?
Diese Episode ist Teil 2 der Betrachtungen über Gefühle. Hören Sie auf jeden Fall auch in Folge 15 rein. In der heutigen Folge gehen wir den Fragen auf den Grund, wo uns Gefühle helfen und wie wir mit ihnen umgehen.

Erfahren Sie in dieser Folge:
Der größte Entscheidungshelfer im Alltag

Wieso Sie Gefühle ernst nehmen sollten, um ein Leben in Balance zu leben

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Oder wenn Sie lieber lesen möchten, geht es hier weiter mit dem Text zum Podcast.

Wie immer beginnen wir mit einer Geschichte:

Ich habe in meiner Berufszeit als Anwalt viel reisen und in Hotels übernachten müssen. Auf dem Weg zu meinem Zimmer musste ich meist einen Aufzug (von denen es meist mehrere gab) nehmen. Ich habe mir dann immer den Spaß gemacht, mit geschlossenen Augen zu fühlen, welcher von den möglichen Aufzügen zuerst auf meinem Stockwerk ankommt.  Ich lag nicht immer richtig, aber meine Trefferquote lag im Laufe der Jahre deutlich über der statistischen Wahrscheinlichkeit.

Was bedeutet das nun für unsere Startrampe Erfolg?

In der letzten Folge haben wir uns damit befasst, welche Rolle Gefühle in unserem Leben spielen. Diese Frage haben wir in vier Schritte unterteilt. Letztes Mal haben wir die ersten beiden Schritte gemacht: 

Schritt 1: Gefühle sind einfach da! 

Schritt 2: Warum haben wir Gefühle? 

Heute geht es weiter mit:

Schritt 3: Wo helfen uns Gefühle?

Wir haben bereits gesehen, dass uns Gefühle bei unseren Entscheidungen maßgeblich unterstützen. Außerdem helfen uns unsere Gefühle z.B.,

– unsere individuellen Werte, Potenziale, Neigungen, Träume, Visionen und Ziele zu finden,

– spontan zu handeln,

–  achtsam zu sein, in der Gegenwart zu leben, und ggf. einen Flow zu erleben,

– Gefahren besser zu erkennen (z.B., wenn uns im U-Bahn-Tunnel drei dunkle Gestalten entgegenkommen) oder Geschäftschancen besser einzuschätzen (z.B. bei der Beteiligung an einem Start-Up),

– mehr Balance in unserem Leben zu finden,

– Stress zu bewältigen,

– emotionale Intelligenz zu entwickeln,

– Vertrauen aufzubauen, 

– ein Gespür für Verhandlungssituationen zu entwickeln,

– Zugang zur eigenen Intuition bekommen.

Ich finde, die Liste ist sehr beeindruckend. Und sie ist keineswegs abschließend, gibt jedoch einen ersten Überblick. Ich möchte heute den letzten Punkt herausgreifen und näher beleuchten: die Intuition. Werden Sie sich bitte bewusst, wie viele Entscheidungen Sie täglich auf Grundlage Ihrer Intuition fällen: Abends ausgehen oder daheim bleiben? Zum Italiener oder zum Griechen? Sweatshirt in blau oder grau kaufen? Welches Geschenk für die Oma an ihrem Geburtstag? Linke, mittlere oder rechte Warteschlange im Supermarkt nehmen? Welcher Aufzug kommt im Hotel als erster? Ob in der Wirtschaft, der Politik, beim Militär, beim Bewerbungsgespräch oder bei der Partnerwahl – ohne Intuition würden wir regelmäßig schlechtere Entscheidungen treffen, weil wir sehr viele Lebenssachverhalte nicht in eine Excel-Tabelle zwängen können. 

Intuition kommt meist dann ins Spiel, wenn wir „am Ende der Informationen“ sind und trotzdem entscheiden müssen. Am „Ende der Informationen“ sind wir, wenn wir alle relevanten Informationen gesammelt haben oder zu einem Entscheidungszeitpunkt nicht die Zeit hatten, alle relevanten Informationen zu beschaffen. Für den Einsatz unserer Intuition möchte ich Ihnen gerne folgende Überlegungen mit auf den Weg geben: 

– Auf unsere Intuition können wir nur zugreifen, wenn uns unser Ego bzw. unser Meckeraffe (den wir in Folge 14 kennengelernt haben) nicht im Wege steht. Ich selbst scheitere im Supermarkt häufig an meinem Meckeraffen bei der Frage, welche Warteschlange ich nehmen soll. Warum? Weil mein Verstand via „virtueller Exceltabelle“ versucht zu berechnen, wo es am schnellsten geht. Nehme ich dann diese Warteschlange, hat ein Kunde vor mir prompt Probleme mit seiner elektronischen Bezahlung oder der Kassierer muss nochmals zum Gemüse-Nachwiegen.

– Am besten funktioniert unsere Intuition, wenn wir unseren Verstand „geleert“ haben (wie man dies z.B. mit der Meditation erreicht). Dann wird sich unser Verstand nicht allzu sehr einmischen können. Ferner dürfen wir nicht in der zu entscheidenden Frage persönlich involviert bzw. mental befangen sein: Wenn Sie bei einer Weinverkostung wissen, welches der teure und welches der billige Wein ist, wird es schwer, auf Devise: „der teurere Wein muss besser sein“.

– Unsere Intuition kann nur Fragen beantworten, die man schlicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Intuition kann nur sagen „Es passt“ oder „Irgendetwas stimmt nicht“. Intuition kommt zu klaren Ergebnissen – ein bisschen Intuition ist wie ein bisschen schwanger. Wenn Sie glauben, Ihre Intuition würde Ihnen wachsweich antworten, hat sich längst Ihr Verstand und Ihr Ego eingeschaltet. 

Damit kommen wir zu:

Schritt 4: Wie gehen wir mit Gefühlen um?  

Wir können unsere Gefühle nicht kontrollieren, allenfalls unterdrücken. Wenn wir traurig sind, fühlen wir uns traurig, und wenn wir verliebt sind, fühlen wir uns verliebt. Punkt. Seien Sie ehrlich zu Ihren Gefühlen, denn Ihre Gefühle sind auch immer ehrlich zu Ihnen! Ihre Gefühle sind in unserer Zeit von Lügen und Täuschungen ein seltenes, kostbares Gut. Dazu sind Ihre Gefühle Ihr ausschließlicher Besitz, den Ihnen niemand wegnehmen kann. Dieser ist etwas Kostbares, selbst wenn es einmal ein Gefühl der Trauer, Enttäuschung oder gar Depression sein sollte. Leider ist man heute viel zu schnell mit Psychopharmaka zur Hand. 

Gefühle kann man nicht begründen – aber sie kommen nie grundlos! Versuchen wir also erst einmal, mit unseren Gefühlen in direkten und ehrlichen Kontakt zu kommen. Grundsätzlich sollten wir wertungsfrei alle unsere Gefühle willkommen heißen, weil sie wichtige Botschaften für uns bereithalten. Gefühle lügen nie! Sind wir äußerst glücklich, dann ist das eher einfach. Sind wir hingegen traurig und deprimiert, so können wir der Traurigkeit nachgehen und ihre Ursache erforschen. Wenn ein nahestehender Mensch gestorben ist oder man gekündigt wurde, dann ist man traurig. Trauer ist dann die emotionale Bewältigung dieses Schicksalsschlags. Das benötigt Zeit und die sollten Sie sich dann auch nehmen. 

Wer hier seine Gefühle wahrnimmt, ernst nimmt und nicht verdrängt, hat schon einen wichtigen ersten Schritt gemacht. Sich hier bei Bedarf professionelle Hilfe zu holen, ist ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche! Eigentlich sollte jeder an seinem „Emotionalhaushalt“ arbeiten, um nicht langfristig vom Kurs seines Lebens abzukommen. Warum?

Ein „gestörter Emotionalhaushalt“ behindert die positive Entwicklung unseres Potenzials und damit unseren Erfolg. Wir müssen also den Umgang mit unseren Gefühlen lernen. Dies gilt nicht nur für die gerade beschriebene „Innenwelt“, sondern auch für unseren Umgang mit unseren Gefühlen in der „Außenwelt“. Auch wenn wir unsere Gefühle nicht kontrollieren können, so können wir doch Einfluss nehmen auf unser Verhalten in der Außenwelt, nachdem wir unsere Gefühle wahrgenommen und gewürdigt haben. 

Was das Zeigen von Gefühlen angeht, gilt es, die richtige Balance zu finden. Natürlich gibt es überwältigende Gefühle (z.B. Trauer, Schmerz), die man kaum nach außen verbergen kann. Dann sollte man das auch nicht krampfhaft versuchen. Andererseits ist unser Alltag von zahlreichen Gefühlen geprägt, die andere Menschen nichts angehen. Stellen Sie sich vor, alle Menschen würden alle ihre Gefühle in uneingeschränkter Form nach außen tragen und ihre Mitmenschen damit konfrontieren! Ein sozialverträgliches Miteinander wäre im Alltag nicht mehr möglich! 

Im Hinblick auf unser Verhalten in der Außenwelt, ist es von großem Vorteil, wenn wir in der Lage sind, unsere Gefühle in einem ersten Schritt erst einmal wahrzunehmen und zu spüren, bevor wir uns in einem zweiten Schritt mit Hilfe unseres Verstands zu bestimmten Äußerungen oder Handlungen entschließen. Das sorgt nicht nur für emotionale Stabilität, sondern auch für Kontrolle über das aus den Gefühlen resultierende Verhalten. Wir verhindern damit, unsere Launen an anderen auszuleben oder (schädigende) Handlungen im Affekt vorzunehmen. Auch wenn wir einmal wütend sind, ist es ein Unterschied, ob wir diese Wut erst einmal wahrnehmen und reflektieren oder ob wir sofort die ganze Wohnung kurz und klein schlagen. Vielleicht reicht auch Holzhacken oder 2.000 m Brustschwimmen? Die beiden letzten Alternativen sind deutlich gesünder und preiswerter. Manche meinen, dass sie besonders authentisch seien, wenn sie in jeder Situation ihren Gefühlen freien und unkontrollierten Lauf ließen. Das ist ein Irrtum – das sind schlechte Manieren. Sehen wir es so: Unsere Gefühle sind unser Tiger, unser Verstand das diesen umgebende Gitter! Wir sollten liebevoll mit unserem Tiger umgehen, aber ihn nicht unkontrolliert frei laufen lassen.

Und nun noch eine knifflige Frage:

Wie entscheiden wir nun, wenn wir in einen emotionalen Konfliktfall geraten, indem sich zwei Gefühle gegenüberstehen? 

Nehmen wir ein klassisches Beispiel: Ein Mann, der seine Familie liebt, verliebt sich in die Kellnerin seiner Stammkneipe und gefährdet damit seine Ehe. Hier lässt uns die Regel „das Gefühl entscheidet, der Verstand führt aus“ im Stich. Vielleicht löst sich der Konflikt mit der Zeit, weil ein Gefühl schwächer wird, vielleicht spitzt er sich aber auch zu und erfordert eine definitive Entscheidung. Neben den Gefühlen spielen hier auch die persönlichen Werte eines Menschen eine große Rolle. Im vorliegenden Fall kommen sich z.B. Treue und Unabhängigkeit sowie Familiensinn und Erotik in die Quere. Hier ist eine persönliche Entscheidung gefordert und es entscheidet am Ende das dominante Gefühl. Mein Tipp in einer solchen Situation: Schauen Sie sich in einer solchen Situation nach einer vorläufigen Entscheidung zwei Minuten lang ununterbrochen im Spiegel in die Augen und denken Sie an die Konsequenzen Ihrer vorläufigen Entscheidung − wenn Sie dann weinen müssen, war die vorläufige Entscheidung falsch! Ihr dominantes Gefühl hat gesiegt − Tränen lügen nicht! Leider stehen viele Menschen bei solchen Entscheidungen erst hinterher vor dem Spiegel des Lebens – und weinen zu spät.

Für heute sind wir damit fast am Ende.  Wie immer gibt es für Sie noch zwei Impulse, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ein Zitat und eine Frage zum Nachdenken.

Das heutige Zitat stammt aus unbekannter Quelle:

„Verlass dich auf dein Herz. Es schlug schon, bevor du denken konntest.“ 

Und die persönliche Frage für Sie lautet:

Wo helfen Ihnen Ihre Gefühle im Leben?

Gehen Sie in sich und finden Sie eine persönliche Antwort! 

Viel Spaß dabei! 

In der nächsten Folge sprechen wir über etwas elementar Wichtiges: Unsere Werte.

Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen, Ihr Thomas Kapp

Dr. Thomas Kapp

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