Du betrachtest gerade Folge 17 – Was sind Werte und warum brauchen wir sie

Extrinsische Werte Werte bezeichnet man im allgemeinen Sprachgebrauch als ethisch gut bewertete Qualitäten menschlichen Handelns und Denkens. Und genau deswegen sind sie so wichtig, wenn wir über Erfolg sprechen – daher widmen wir diese und nächste Folge dem Thema Werte.

Erfahren Sie in dieser Folge: Was sind intrinsische Werte? Den Unterschied von extrinsischen und intrinsischen Werten. Wie man auch über bestimmte Werte stolpern kann – und wie Sie genau das vermeiden

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Oder wenn Sie lieber lesen möchten, geht es hier weiter mit dem Text zum Podcast.

Wie immer beginnen wir mit einer Geschichte:

In der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet sich das Bild „Die Sieben Todsünden“ von Otto Dix. Ein nach wie vor eindrucksvolles Gemälde. Heute halten wir die Todsünde für einen etwas verstaubten mittelalterlichen Begriff, über den wir uns erhaben fühlen. Aber tun wir das zu recht? Neulich fand ich im Internet eine amüsante Revitalisierung der sieben Todsünden: Den klassischen Todsünden wurden unsere neuen Lebensgewohnheiten im Internet gegenübergestellt und das ergab dann folgendes Bild:

– Hochmut: LinkedIn

– Geiz: Amazon

– Wollust: Tinder

– Zorn: Twitter

– Völlerei: Lieferando

– Neid: Instagram

– Faulheit: Netflix

Nehmen Sie das bitte nicht wörtlich  aber zum Anlass zum gelegentlichen Nachdenken!

Was bedeutet das nun für unsere Startrampe Erfolg?

Heute sprechen wir nicht über die klassischen Todsünden, aber über Werte. Werte bezeichnen im allgemeinen Sprachgebrauch als ethisch gut bewertete Eigenschaften bzw. Qualitäten menschlichen Handelns und Denkens. Werte sollen dem Menschen für sein Verhalten Orientierung verleihen und „gute“ Denk- und Verhaltensweisen befördern. Je abstrakter ein Wert ist, desto größer ist meist seine Bedeutung. So ist „Freiheit“ ein großes Wort, aber auch ein gewichtiges. Einen Wert kann man nie erreichen, man kann sich nur immer wieder an ihm orientieren. Werte verbrauchen sich nicht, Ziele schon.

Traditionellerweise denken wir beim Wort „Werte“ an bestimmte ethische Werte (wie Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Treue), religiöse Werte (wie Gottesfurcht, Nächstenliebe), politische Werte (wie Toleranz, Freiheit, Gleichheit) und materielle Werte (wie Wohlstand). Wir denken an Begriffe wie Tugend, Ethik und Moral. Alle diese traditionellen Begriffe von Werten sind „extrinsische“ Werte, also Regeln, welche dem Menschen „von außen“ („extrinsisch“) vorgegeben werden. Kluge und manchmal nicht so kluge Philosophen, Glaubensgemeinschaften und Gesellschaften haben sie definiert und für Menschen als verbindlich erklärt. Extrinsische Werte sind nie absolut, sondern relativ und häufig lokal begrenzt. In manchen Ländern ist die Todesstrafe abgeschafft, in anderen wird sie vollstreckt. Manche essen kein Schweinefleisch, andere kein Rindfleisch. 

Diesen extrinsischen Werten stehen die „intrinsischen“ Werte gegenüber, also Werte, die aus unserem „Inneren“ kommen. Anders als bei den extrinsischen Werten geht es um sehr persönliche innere Bewegründe, die unser Denken, Fühlen, Entscheiden und Handeln ganz grundsätzlich beeinflussen. Während extrinsische Werte Gebote und Verbote aufstellen, beantworten intrinsische Werte die Frage nach dem Warum unseres Tuns. Warum denken, fühlen, entscheiden und handeln wir, wie wir es tun? Es sind Werte, die uns am Herzen liegen, uns antreiben, emotional berühren, für die wir „brennen“, und für die wir im Zweifel bereit sind, alles zu opfern − manchmal sogar zu sterben. Sie werden für uns – jedenfalls, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind − immer die Messlatte für unsere persönliche Ausrichtung und für schwierige Entscheidungen in unserem Lebens sein. Intrinsische Werte sind nicht brüchig – sonst sind es keine. Intrinsische Werte sind die Ausprägung unserer Individualität und gelten auch dann noch, wenn sich die extrinsischen Werte geändert haben.

Nun wird es spannend: Intrinsische Werte stehen nicht immer im Einklang mit den extrinsischen Werten. Dann kommt es zum Konflikt. Gerade bei bewussten und tapferen Menschen werden die intrinsischen Werte im Zweifel die extrinsischen Werte im Falle des Konflikts ausstechen. Die Geschwister Scholl folgten ihren intrinsischen Werten, nämlich ihrem inneren persönlichen Bestreben, Menschen von einem Terror-Regime zu befreien − und handelten sogar gegen die in ihrer Zeit extrinsisch herrschende öffentliche Moral. Ihre „innere“ Moral war so stark, dass sie dafür ihr Leben opferten. Aber wir sind nicht alle Helden. Manchmal zwingen uns extrinsische Werte, unsere intrinsischen Werte zu verraten. Darüber sollten wir nicht herablassend urteilen, solche Konflikte können von existenzieller Natur sein. Wir müssen uns jedoch bewusst machen, welchen Preis wir bezahlen müssen, wenn wir gegen unsere intrinsischen Werte leben.  

Was sind nun die Unterschiede zwischen extrinsischen und intrinsischen Werten?

Sieben Dinge unterscheiden die extrinsischen Werte von den intrinsischen Werten: 

  1. Extrinsische Werte werden uns entweder durch Einsicht, Überredung bzw. Versprechung oder durch Autorität, Druck und drohende Sanktionen von außen vermittelt. Wir erwerben sie von außen. Intrinsische Werte kommen von innen und drücken unsere inneren Werte, Sehnsüchte, Leidenschaften, Sinnerfüllung oder Ideale aus. 
  2. Extrinsische Werte sind sehr stark von „objektiver“ Rationalität und „kollektiven“ Erfahrungen (oft vieler Generationen) geprägt. Die Grundlage von extrinsischen Werten ist daher oft die Vernunft. Intrinsische Werte sind dagegen von „subjektiver“ Emotionalität, zuweilen auch Irrationalität, geprägt.
  3. Extrinsische Werte sind Derivate fremder Erfahrungen. Intrinsische Werte sind Originale.
  4. Extrinsische Werte begrenzen unser Verhalten, während intrinsische Werte uns öffnen, motivieren und antreiben.
  5. Intrinsische Werte geraten immer wieder mit extrinsischen in Konflikt. Diesen muss jeder ganz persönlich entscheiden. Verstoßen wir gegen extrinsische Werte, können immer noch mit unseren intrinsischen Werten im Reinen sein (so die Geschwister Scholl). Wenn wir jedoch auf Dauer gegen unsere intrinsischen Werte leben, zerstören wir unser inneres Glück.
  6. Während unser Verhalten von extrinsischen Werten nur manchmal beeinflusst wird (z.B., wenn wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung kurzfristig wegen einer Radarkontrolle einhalten), treibt uns eine intrinsische Motivation permanent an – allerdings nur dann, wenn wir unsere intrinsischen Werte leben. Tun wir dies nicht, blockieren uns unsere intrinsischen Werte.
  7. Während die extrinsischen Werte grundsätzlich für jeden Menschen in gleicher Weise Geltung beanspruchen, stellen wir fest, dass unterschiedliche Menschen von ganz unterschiedlichen intrinsischen Werten Antrieb und Energie für ihr Handeln erhalten. Extrinsische Werte sind generell, intrinsische Werte sind individuell. 

Schauen wir uns die extrinsischen Werte etwas genauer an:  

Bei den extrinsischen Werten unterscheiden wir die Kardinaltugenden, die quasi den anderen Tugenden übergeordnet sind. So werden als die klassischen Kardinaltugenden bezeichnet: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Sie waren als Maßgabe der persönlichen Entwicklung eines Menschen gedacht und sind damit Primärtugenden.

Nachgeordnete Tugenden sind u.a. die sog. Sekundärtugenden (wie z.B. Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Gehorsam, Disziplin – z.T. auch als die „preußischen Tugenden“ bezeichnet). Sie sollen der Gewährleistung sozialverträglichen Zusammenlebens dienen, also Kommunikation, Kooperation, gegenseitige Unterstützung, gemeinsames Arbeiten, Pflege der Kultur und alles, was den Zusammenhalt einer Gemeinschaft fördert. 

So haben z.B. Höflichkeit, Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Respekt, Rücksichtnahme, Gastfreundschaft, Bescheidenheit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Toleranz und gute Manieren nur im sozialen Umgang einen Wert. Auf einer einsamen Robinson-Crusoe-Insel sind sie bedeutungslos. In einer Gemeinschaft sollten wir hingegen nie vergessen: Erfolg können wir nur mit und durch andere haben! Und um sich diese Unterstützung anderer zu sichern, müssen Sie sich auf zahlreiche Sekundärtugenden verlassen können. Hier gilt jedoch das Prinzip der Reziprozität: Wenn Sie unfreundlich zu anderen sind, können Sie nicht erwarten, dass diese Ihnen gegenüber freundlich sind. Wenn Sie andere hängen lassen, werden diese Ihnen in der Not nicht helfen. Wenn Sie über andere lästern, werden diese nichts Gutes über Sie sagen. Dies gilt für alle anderen Sekundärtugenden. Wenn wir andere respektlos behandeln, zwingen wir sie zu einer Verteidigung ihrer Reputation und ihres Ansehens. Sie erstarren und wir geben z.B. die Steuerungsmöglichkeit weiterer Kommunikation und Verhandlungen weitgehend aus der Hand. Respektlosigkeit ist im Kern nicht nur wenig moralisch, sondern insbesondere ein Beleg für mangelnde soziale Intelligenz − und damit alles andere als ein Erfolgsrezept. 

Sie verstehen vielleicht jetzt, warum ich glaube, dass die Praktizierung von Sekundärtugenden nicht nur eine Frage von Anstand, sondern insbesondere von sozialer Intelligenz ist. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie „sozial intelligent“ sein! Sekundärtugenden sind kein Almosen, sondern ein wichtiger Erfolgsfaktor. Oder anders formuliert: Ohne Sekundärtugenden von Menschen ist kein wirklicher und langfristiger Erfolg möglich!

Für heute sind wir damit fast am Ende.  Wie immer gibt es für Sie noch zwei Impulse, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ein Zitat und eine Frage zum Nachdenken.

Das Zitat stammt heute von der deutschen Widerstandskämpferin Sophie Scholl:

„Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst. Nur suchen wir sie zu wenig.” 

Und die persönliche Frage für Sie lautet:

Welche extrinsischen Werte behindern Sie an Ihrer Entfaltung?

Gehen Sie in sich und finden Sie eine persönliche Antwort! 

Viel Spaß dabei! 

In der nächsten Folge gehen wir von außen nach innen und sprechen wir über die intrinsischen Werte − und ihr Verhältnis zu den extrinsischen Werten.

Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen, Ihr Thomas Kapp

Dr. Thomas Kapp

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