Du betrachtest gerade Folge 19 – Was ist und wie hilft uns Wahrheit

Subjektive und objektive Wahrheit Wahrheit und Erfolg. Auf den ersten Blick haben diese beiden Themen nichts miteinander zu tun. Ich sehe das anders und möchte Ihnen in dieser Folge erklären, wie diese beiden Themen sehr wohl zusammenhängen.

Erfahren Sie in dieser Folge: Was subjektive und objektive Wahrheit ist

Wieso “objektive Wahrheit” oft zu Kommunikationsproblemen führt

Warum Sie sich damit anfreunden sollten, nicht immer alles zu wissen

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Oder wenn Sie lieber lesen möchten, geht es hier weiter mit dem Text zum Podcast.

Wie immer beginnen wir mit einer Geschichte:

Ein Zen-Schüler war auf der Suche nach der Wahrheit. Trotz vieler Jahre intensiven Studiums konnte er einen endgültigen Begriff von Wahrheit nicht finden. Er ging zu seinem Meister und fragte ihn direkt nach der Wahrheit. Dieser antwortete ihm: „Suche nicht nach Wahrheit, hör‘ einfach auf, über alles eine Meinung zu haben“. 

Was bedeutet das nun für unsere Startrampe Erfolg?

Was ist Wahrheit? Die Begriffe gehen bunt durcheinander, wo der eine „Wahrheit“ sagt, meint der andere „Wirklichkeit“. Sie werden also um eine persönliche Auseinandersetzung mit diesen Werten nicht herumkommen.

Sortieren wir ein wenig aus:

Wirklichkeit wird für mich auf einer höheren Stufe dadurch beschrieben, dass alles, was im Großen und Kleinen auf der Welt, im All und im gesamten Universum existiert und passiert, und unabhängig von irgendwelcher subjektiven Perspektive, Beobachtung oder Bewertung objektiv – und ohne Zweideutigkeit und Unsicherheit − existiert und passiert. Für uns Menschen ist diese „objektive“ Wirklichkeit auf keinen Fall erfahrbar, aber für unser praktisches Leben auch nicht besonders relevant. In dieser Sphäre spielt die Wahrheit keine Rolle, denn das, was objektiv existiert, braucht sich an der Wahrheit nicht messen lassen, denn diese Wirklichkeit ist immer wahr!

Auf einer tieferen Stufe ist Wirklichkeit etwas subjektiv Wahrnehmbares und Erfahrbares. Ich nenne dies die „subjektive“ Wirklichkeit. Sie ist die Grundlage unserer Wissenschaft. Sie ist jedoch subjektiv in viererlei Hinsicht:

Erstens haben wir durch die Quantenphysik gelernt, dass allein die Beobachtung eines Vorgangs seinen Verlauf beeinflussen kann. Subjektive Beobachtung verändert Wirklichkeit! Auf der Ebene des Erfahrbaren bringt das eine gewisse Unsicherheit mit sich.

Zweitens wird die subjektive Wirklichkeit dadurch geprägt, dass wir durch den Vorgang des individuellen Wahrnehmens eine subjektive „Verfälschung“ der Wirklichkeit bewirken, und zwar sowohl auf der Ebene unserer Sinnesorgane wie auch der Ebene unserer Bewertung. Wer eine rote Brille aufhat, sieht alles rot. Wer eine blaue aufhat, alles blau. Was wir landläufig als „objektive“ Wirklichkeit bezeichnen, ist daher nur die Zusammenschau von zahlreichen „subjektiven“ Wirklichkeiten. 

Drittens müssen wir bei der Beobachtung der subjektiven Wirklichkeit stets kritisch vorgehen und zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden: Wir können nur beobachten, dass B auf A folgt, aber nicht, dass A die Folge B verursacht hat. Wir können sehen, dass ein Apfel vom Baum fällt – aber wir können nicht sehen, dass er wegen der Schwerkraft fällt.

Viertens entfernen wir Menschen uns in allen Geschmacksfragen („Der Pudding schmeckt gut“) und Bewertungsfragen („Ich finde das Buch langweilig“) ohnehin von einer objektiv nachvollziehbaren Wirklichkeit. 

All diese unterschiedlichen „Wahrnehmungswelten“ sind in vielen Fällen die Grundlage für eine misslungene Kommunikation, weil jeder in seiner „Welt“ recht hat und gar nicht verstehen kann, dass ein anderer einen bestimmten Sachverhalt völlig anders wahrnimmt bzw. bewertet.  Es ist uns häufig ein Rätsel, warum andere Menschen unsere (subjektive) Wirklichkeit ganz anders sehen und bewerten. Werden wir uns also bewusst, dass die Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung unserer Welt einen wesentlichen Einfluss auf unsere Kommunikation und Kooperation mit anderen Menschen nimmt!

Was ist nun Wahrheit? 

Wahrheit ist ein menschliches Konstrukt. Wahrheit kommt nur dann ins Spiel, wenn wir die Übereinstimmung einer Aussage, einer Behauptung, einer Theorie etc. mit einer Tatsache, einem Sachverhalt oder der uns zugänglichen subjektiven Wirklichkeit prüfen. Die Natur und das Universum brauchen keine Wahrheit, sie existieren einfach. Damit wird Wahrheit für uns Menschen zu einer nicht einfachen Angelegenheit, weil sowohl unsere Aussagen also auch unsere subjektiv wahrgenommenen Wirklichkeiten von Unschärfen geprägt sind. 

Das soll uns nicht veranlassen, der Wahrheit keine Bedeutung für unser Lebens beizumessen. Wir sollten aber mit Wahrheiten behutsam umgehen, uns selbst und anderen gegenüber – denn manchmal können wir uns auch irren!  

Nun kommen wir zu unserer eigentlichen Frage:

Wie hängen nun Wahrheit und Erfolg zusammen? 

Wahrheit bedeutet, Realitäten anzuerkennen. „Was ist, ist – was nicht ist, ist nicht“. Dale Carnegie berichtete in seinem Buch „Sorge dich nicht – lebe“ von einer zerfallenen Kirche in Amsterdam, welche in flämisch die Inschrift trug: „So ist es. Es kann nicht anders sein.“ Diesen kraftvollen Satz sollten Sie verinnerlichen, und zwar insbesondere für die Fälle, in denen es nicht gut läuft. Die Realität kann hart sein – noch härter ist es jedoch, wenn wir sie verleugnen!

Wenn eine Vase heruntergefallen ist, ist sie kaputt. Punkt. Wenn Sie jedoch ein anderer Mensch „komisch“ anschaut, ist es zunächst das, nicht mehr und nicht weniger. Punkt. Wie Sie all diese Fälle dann individuell bewerten, ist eine völlig andere Sache. Wir sollten also die Realität anerkennen, aber auch nicht mehr: Alle unsere Bewertungen sind willkürlich. Vielfach lassen wir uns jedoch (insbesondere auch von unserem Meckeraffen) verleiten, unsere Bewertungen als Realität zu betrachten. Das ist fatal, weil es die Realität verzerrt und damit unsere Handlungsmöglichkeiten beschränkt. 

Die Akzeptanz der Realität ist Selbstermächtigung: Sie sind nicht nur in die Lage, eine eigene subjektive Interpretation und Bewertung der Lage zu wählen, sondern auch eine angemessene Lösung für Ihr Problem zu finden und umzusetzen. Mit dieser Vorgehensweise ist das Fundament für eine Verbesserung und langfristig für Erfolg gelegt. Erst wenn wir ehrlich unsere Schwächen, Niederlagen und Schatten akzeptieren, können wir Konsequenzen ziehen, daran arbeiten und uns verbessern. 

Was sind nun die Vorteile der Wahrheit?

Wahrheit und Ehrlichkeit erlauben uns, geradlinig zu sein bzw. zu werden. Wahrheit reduziert sich die Komplexität in Ihrem Leben, wenn Sie sagen, was Sie denken − tun, was Sie sagen − und sind, was Sie tun. Sagen Sie, was Sie denken, tun Sie, was Sie sagen, und sind Sie, was Sie tun! Sie sparen damit eine immense Energie, die Sie sonst in „Vertuschungsaktionen“ aller Art stecken müssen.  

Wenn Sie eine Lüge in die Welt setzen, müssen Sie viel Energie aufbringen, diese auf Dauer glaubwürdig aufrechtzuerhalten, weil die „wirkliche“ Welt immer gegen Sie spielt. Schlimmer noch, wenn Sie verschiedene Versionen eines Vorfalls erzählen: Sie müssen dann nicht nur in Erinnerung behalten, wem Sie was erzählt haben, sondern auch dafür sorgen, dass sich bestimmte Adressaten zu diesem Thema nie untereinander austauschen. „Lügen haben kurze Beine“, sagt der Volksmund. 

Auch sonst ist die Wahrheit sehr praktisch: Weniger Stress, psychische Klarheit und Gesundheit, erhöhte Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei anderen, mehr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl, Stabilität in Beziehungen (privat und beruflich) etc. – alles Elemente für den Erfolg!  Lügen sind langfristig nie ein guter Weg zum Erfolg. 

Wie gehen wir mit Lügen um?

Nach diesem Hohenlied auf die Wahrheit müssen wir wieder etwas Bodenhaftung bekommen: Wir sind alle keine Engel und natürlich haben wir alle schon einmal gelogen – und zwar tausendfach! Vielleicht sind es nur ein paar kleine Lügen, aber das summiert sich.

Ob und inwiefern eine Lüge in manchen Lebenslagen eine Option ist, wird heftig debattiert. Wenn Sie mit einer Situation konfrontiert werden, in denen eine Lüge eine Option sein könnte, sollten Sie gestaffelt vorgehen und sich folgende Fragen stellen:

– Ist eine Lüge überhaupt von Vorteil? Manchmal ist die blanke Wahrheit unglaublich kraftvoll! 

– Wenn ich etwas Wahres nicht sage: Ist das dann schon eine Lüge?

– Ist die „Lüge“ überhaupt relevant für einen anderen, z.B., wenn Sie zu einem Kollegen auf dessen Anfrage sagen: „mir geht es gut“ – obwohl Sie gerade mit einigen Problemen kämpfen?

– Wird durch meine Lüge einem anderen ein Schaden zugefügt oder eher ein Konflikt vermieden bzw. eine Situation/Beziehung stabilisiert?

– Tangiert die Lüge (bei Offenlegung) meine Vertrauenswürdigkeit oder gefährdet sie eine Beziehung?

– Gibt es eine Rechtfertigung zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens, des beruflichen Fortkommens oder gar zur Rettung des eigenen Lebens?

– Liegt eine einmalige Lüge vor oder befinde ich mich bereits im „Dauermodus“?

Wenn Sie diese Eskalationsstufen durchgegangen sind, werden Sie ein sehr viel besseres Gefühl dafür entwickeln, ob eine Lüge angemessen ist oder nicht, ob sie schlimm ist oder gar andere Schaden zufügt. Auf jeden Fall sollten Sie bewusst handeln. Und vergessen Sie nie: Die Lüge ist also oft nur Zeitgewinn mit einem später evtl. schwer abschätzbaren Schaden – letztlich also ein Risikogeschäft. Und Lügen sind wie eine Droge: Sie fangen klein an und werden im Laufe der Zeit immer größer. Je mehr Lügen man in die Welt gesetzt hat, desto weniger kommt man von diesem Gestrüpp von Lügen wieder weg. Andauerndes Lügen ist wie Drogenabhängigkeit – man gerät leicht hinein und schwer heraus!

Für heute sind wir damit fast am Ende.  Wie immer gibt es für Sie noch zwei Impulse, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ein Zitat und eine Frage zum Nachdenken.

Das Zitat stammt vom chinesischen Philosophen Zhuangzi:

„Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiß.“ 

Und die persönliche Frage für Sie lautet:

Was ist Ihre Wirklichkeit, was ist Ihre Wahrheit?

Gehen Sie in sich und finden Sie eine persönliche Antwort! 

Viel Spaß dabei! 

In der nächsten Folge sprechen wir über den Bruder der Wahrheit, den Mut.

Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen, Ihr Thomas Kapp

Dr. Thomas Kapp

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